Jonathan Schmidt: Ein Jahr im A-Team – Rückblick und Ausblick
Von Jonathan Schmidt
Nach seinem guten Auftakt im ATK-Trikot bei den deutschen Meisterschaften (DM) in der Langstaffel und seiner Bestzeit über 800 Meter beendete Jonathan Schmidt seine Saison in Deutschland nach den Einzel-DM in Berlin. Dort reichte es für Johnny allerdings überraschend nicht zum Einzug in das Finale über 800 Meter. Nachdem er darüber zunächst „maßlos enttäuscht“ war, begab sich der blonde Mittelstreckenläufer erst einmal auf eine mehrwöchige Tour durch Europa. Danach kehrte er wieder in die USA zurück, um sein Studium fortzusetzen und sich mit seinem dortigen Trainingsteam auf die neue Trainerin einzustellen. Johnny schreibt hier für uns, wie es ihm geht, wie er trainiert und worauf er sich vorbereitet.
Jonathan Schmidt: Rückblick und Ausblick
Zahlreiche Wochen in Spanien, Italien und Portugal haben mich mein enttäuschendes Abschneiden bei der DM in Berlin doch schnell vergessen lassen. Wenngleich ich insgesamt mit meiner ersten richtigen Sommersaison im ATK-Trikot nicht unzufrieden war. Dennoch war die fünfwöchige Laufpause in Europa wichtig für mich, um ausgeruht und voller Tatendrang in mein viertes Jahr an der University of Missouri und den USA zu gehen – denn jenes vierte Jahr in Mizzou wird ein immens spannendes sowie richtungsweisendes auf sowie abseits der Bahn.
Richtungsweisend, weil mein für das Bachelorstudium abgeschlossener Vierjahresvertrag mit Mizzou zu Ende gehen wird – Mitte 2023 werde ich die Uni entsprechend mit dem Bachelor abschließen. Unabhängig davon habe ich schon heute eine wichtige Entscheidung getroffen: Meinen Masterstudiengang möchte ich mit einem weiteren Sportstipendium in den USA absolvieren.
Spannend wird es, weil es noch offen ist, ob es nach dem Sommer 2023 tatsächlich zu einer Verlängerung mit Mizzou kommt. Das hängt nämlich von mehreren Faktoren ab: Meine sportliche Performance und mein individueller Beitrag zum Erfolg des Teams sowie mein Interesse an einer weiteren Kooperation einschließlich eines neuen Zweijahresvertrages für einen Masterstudiengang an der University of Missouri.
Mit dem Trainerstab wird es dazu sicherlich ab Anfang des nächsten Jahres einige Gespräche geben. Eine finale Entscheidung bezüglich meiner sportlichen sowie akademischen Zukunft, ist aber nicht vor April zu erwarten. Pläne und Ziele können sich durchaus ändern in einem so spannenden Jahr, umso wichtiger ist es, im Hier und Jetzt zu bleiben und kontinuierlich an sich zu arbeiten – auf der Bahn sowie in der School of Journalism.
Alles neu: Job, Training, Trainerin
Seit Anfang August pendle ich also wieder zwischen Cross-Country-Kurs, Laufbahn und Nachrichtenstudio, in welchem ich seit diesem Semester für 20 Stunden eine halbe Stelle angetreten habe. Mit Coach Lindsey Anderson habe ich zugleich eine neue Trainerin. Sie hat unser „Mizzou Distance Program“ schon an einigen Ecken umgekrempelt: Neue Trainingszeiten, neue Wettkampfstandorte sowie die Ansage in der ersten Trainingswoche, dass mich nun doch eine Cross-Country-Saison erwarte, lassen meine diesjährige Herbstvorbereitung schon deutlich anders aussehen als noch jene im vergangenen Jahr unter dem alten Trainerstab.
Man braucht schon einiges, um mich sprachlos zu erleben, aber die erste Ansprache der neuen Trainerin saß: Nachdem ich im Juli auf genau null Laufkilometer kam, stellte Neu-Trainerin Anderson schnell klar, dass sie jeden einzelnen Läufer zu einem Cross-Country-Wettkampf schicken will – ganz egal, ob man bis Juni oder Juli in Europa noch auf der Bahn unterwegs war. Ich hatte von US-Coach Seite bis dato keinerlei Druck über den Sommer hinweg hinsichtlich dieser Cross-Country Saison verspürt und war aufgrund meines verspäteten Trainingseinstiegs Anfang August sicherlich alles andere als perfekt vorbereitet. Mir wurde aber schnell bewusst, dass meine Trainingseinstellung sowie XC-Performance bezüglich der Zukunftspläne der Trainerin und meiner Rolle im Team besonders beäugt werden würde. Zugegebenermaßen brauchte ich schon den kompletten August, um nicht mehr zur langsamsten Gruppe bei Tempo- sowie Dauerläufen zu gehören. Das Boys-Team ist dieses Jahr unglaublich international sowie talentiert besetzt – wir repräsentieren acht (!) verschiedene Nationen.
Zwischen Überraschung und Leistungssprung
Netterweise besitzen wir hier in Columbia, Missouri, einen der schnellsten Cross-Country-Kurse der USA. Die gute Verfassung des Kurses, welcher eine Zwei- sowie Drei-Kilometer-Runde bietet, lässt unser Team gleich dreimal dieses Jahr auf eigenem Terrain Wettkämpfe abliefern. Aufgrund meines verspäteten Trainingsstarts wurde ich noch nicht für das erste Homemeet Anfang September vorgesehen. Ich startete dann aber Mitte September in Terre Haute, Indiana mit einer Zeit von 26:41 Minuten über acht Kilometer in die Cross-Saison. Das erste Cross-Rennen bleibt immer wieder ein Schock für den Körper. Das folgenden Homemeet zeigte dann aber den ersten Leistungssprung: Ende September rannte ich die acht Kilometer in 25:42 Minuten – genau auf die Sekunde meine Bestzeit auf dem eigenen Kurs von vor einem Jahr.
Der nächste Wettkampf brachte mich in einen neuen Bundesstaat zur wohl bekanntesten Cross-Veranstaltung des Jahres: nach Stillwater, Oklahoma. Der äußerst bergige sowie kurvenreiche Kurs gilt zugleich als einer der anspruchsvollsten der USA und ließ im Vorfeld nicht unbedingt auf eine neue Bestzeit hoffen. Dennoch fand ich eine gute Position und verbesserte mich kontinuierlich im Feld von über 300 Startern auf Platz 171. Die Zeit von 25:48 Minuten klingt jetzt nicht weiter spektakulär, bedeutete mir persönlich aber doch ziemlich viel: Ich rannte nahezu dieselbe Zeit wie zwei Wochen zuvor auf unserem eigenen deutlich schnelleren Rundkurs. Innerhalb meines Teams kam ich als Zwölfter ins Ziel und war vor Wochen noch Nummer 15 beziehungsweise 18.
Von der Vorbereitung zum Christstollen
Oklahoma hat gezeigt, dass ich mittlerweile voll in der Herbstvorbereitung angekommen bin. Zahlreiche Wochen über 100 Kilometer in der Woche haben mich soweit fit gemacht und mir die so wichtige Grundlage für die kommenden Monate geben. Ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt: Unsere Mizzou Top 10 aus Oklahoma wurden für unsere Conference Finals in einer Woche nominiert, für welche ich mich letztes Jahr als Zehnter geradeso qualifiziert habe. Neben der Tatsache, dass das Mizzou Distance Team deutlich mehr talentierte Boys in der Breite aufzuweisen hat, konnte ich nach wesentlich kürzerer Sommervorbereitung an meine Zeiten vom letzten Herbst anknüpfen, das stimmt mich dennoch positiv.
Für die nächsten Monate gilt es, das Fitnessniveau weiterhin zu verbessern und sich nicht von den rauen Wintermonaten im schneereichen Missouri unterkriegen zu lassen. Aber auch daran habe ich mich über die letzten Jahre versucht zu gewöhnen und gehe das Ganze mit einer gewissen Routine sowie großer Vorfreude an!
Ein dreiwöchiger Aufenthalt über Weihnachten in Deutschland ist selbstverständlich auch wieder für mich geplant. Eine kleine Pause von buntblinkenden Häusern und stattdessen ein paar Scheiben Dresdner Christstollen werden auch positiv zu meiner Form in 2023 beitragen. Die Hallensaison 2023 werde ich komplett auf amerikanischem Boden mit Mizzou absolvieren. Den nächsten Wettkampf im ATK-Trikot will ich voraussichtlich Anfang Juni 2023 laufen, nach dem ersten Teil meiner Sommersaison, in den USA.