Jonathan Schmidt – der Internationale
Athletenportrait
Die Halbzeit ist für Jonathan Schmidt längst überschritten: Für fünf Jahre war sein Spitzensportstipendium in den USA angesetzt. Nun sind 2 ½ Jahre vergangen. Der Mittelstreckenläufer und angehende Journalist hat so fleißig studiert, dass er sein Studium wohl auf gut vier Jahre verkürzen kann – es sei denn er möchte unbedingt länger studieren. Ob in den USA oder an einer anderen Uni wäre dann noch offen. Der „Mr. Worldwide“, wie er in der Leichtathletikszene auch genannt wird, spricht Englisch und Spanisch flüssig. Er hat solide Sprachkenntnisse in Französisch und Portugiesisch – da spielt es am Ende des Tages keine Rolle in welchem Teil der Welt sich der 22 Jahre alte Sportler gerade aufhält. Im Mai 2023 wird er aber erst einmal seinen Bachelor in International TV & Radio Broadcast Journalismus absolvieren (Nebenfach Spanisch und Lateinamerikanische Studien).
Jonathans Fleiß führt nicht nur zur Freude bei seiner Familie, sondern auch zur Vorfreude auf eine erfolgreiche gemeinsame Zeit beim Athletics Team Karben (ATK). Seit 1.Januar 2021 gehört Jonathan, genannt Johnny, zum A-Team. Seither haben wir von Johnny in Deutschland allerdings kaum etwas gesehen. Ein Ermüdungsbruch im Sprunggelenk hat ihm die Sommersaison 2021 vermasselt. Zeit, die er konsequent für seine Regeneration und für sein Studium genutzt hat.
Johnny – der Entscheider passt zum ATK
Bei seinen seltenen Besuchen in der Region und den wenigen gemeinsamen Trainingseinheiten hat er aber bereits gezeigt: Er passt ins Team. „Er weiß, was man aufwenden muss, um erfolgreich zu sein. Johnny passt außerdem auch menschlich gut zu uns und ist ein interessanter Typ“, sagt Marc Tortell, 1.500-Meter-Topathlet im ATK. Dass Marc mit Jonathan Schmidt über die 1.500 Meter ein Lauftalent im Verein hat, das ihn herausfordern könnte, sieht Marc gelassen. „Ich habe da kein Konkurrenzdenken. Wer die beste Zeit läuft, hat hart dafür trainiert und den Erfolg verdient“, findet er.
Jonathan Schmidt ist ein Athlet, der sich durch klare Entscheidungen und den Blick nach vorn seinen Weg ebnet. Hat er sich einmal zu etwas entschlossen, zieht er sein Ding durch und versucht nicht mehr zurückzublicken. „Keine andere Person übernimmt das Träumen oder Realisieren von Zielen für mich. Die Entscheidung wie ich sportliche und berufliche Ziele angehe, muss ich als allererstes mit mir selbst ausmachen und dann konsequent verfolgen“, sagt Johnny.
Bereits 2019 hat er sich auf seine sportlichen und beruflichen Perspektiven konzentriert und deshalb den Kaderstatus im Deutschen Leichtathletik-Verband aufgegeben. Sein Vollstipendium für die Uni in den USA war ihm wichtiger. Die National Collegiate Athletic Association (NCAA) fördert seine Ausbildung und sein Leben als Leistungssportler mit einem Finanzvolumen von rund 200.000 US Dollar. „Akademisch lohnt es sich riesig für mich, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Die Sprachen, welche ich dort zusätzlich gelernt habe, die journalistische Ausbildung an einer der besten Journalismus-Universitäten der USA, aber auch das Umfeld – was ich hier miterlebe, prägt mich für mein ganzes Leben“, wenngleich er die mitteleuropäische Mentalität hier und da auch mal vermisse, resümiert der 22 Jahre alte Sportler.
Es kommen bessere Zeiten
Aktuell läuft Johnny im Team der University Missouri in Columbia, kurz Mizzou, allerdings die Meile (rund 1.609 Meter) und die 800 Meter. Er trainiert derzeit bei
Brett Halter.
„Ich habe hier noch nichts Großes gerissen, auch wegen meiner Verletzung
voriges Jahr, aber ich lasse mir Zeit. Ich weiß, dass es bergauf geht“, sagt
der gebürtige Dresdner. Er trainiert erst seit Juli 2021 wieder intensiv. Von
Corona ist er bislang verschont geblieben, wenngleich die Regeln in den USA
sehr entspannt sind, so ist es etwas nicht nötig beim Einkaufen Masken zu
tragen.
Für 2023 hat er sich vorgenommen bei den Wettbewerben der NCAA zu punkten und sein Fernziel Olympia in 2024 treibt ihn besonders an. Johnnys Potenzial ist in der Leichtathletik-Szene bekannt. Von 2015 bis 2019 gehörte er zur Auswahl des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). „Ich durchlief vom D/C-Kader bis NK1-U23 alle Jugendkaderstufen in diesen Jahren und durfte den Adler 3mal auf der Brust tragen bei U18-EM 2016, U20-WM 2018 sowie U20-EM-Länderkampf 2018 wenige Tage vor der Heim-EM in Berlin damals. Das war zugleich auch mein letzter Outdoor-Wettkampf in Deutschland, so traurig es ist, aber das war Anfang August 2018 – wow“, staunt er, selbst ein wenig überrascht.
Dankbar zurückblicken, Mutig vorwärtsgehen
Den Kaderstatus aufzugeben, hat ihn zugleich vom deutschen System unabhängig gemacht. Allerdings: Sobald er sich wieder langfristig in Deutschland aufhält, will er sich seinen Platz im Kader zurückerobern: „Letztendlich ist es immer schön dem Kaderpool anzugehören, aber dies verdient man sich nur durch Leistung, und die will ich unbedingt wieder bringen“ sagt Johnny. Dieses Ziel verfolgt er dann von Frankfurt und Karben aus. Sein Studium in den USA, führt dazu, dass er seine Reisen in die und aus der Heimat regelmäßig vom Frankfurter Flughafen antritt. Da sein Bruder in Frankfurt lebt und ihn dann nach seiner Ankunft jeweils gerne beherbergt, hat sich auch die Mitgliedschaft im ATK angeboten. Sobald er die USA hinter sich gelassen hat, wird er sich voraussichtlich im Raum Frankfurt niederlassen.
„Ich bin stolzer Dresdner. Aber ich musste 2019 einen Schnitt machen. Ich bin zwölf Jahre für Dresden gelaufen. Als es in die Erwachsenenklasse ging und speziell auch nach dem Tod meiner Trainerin brauchte ich neue Impulse“, erklärt er, weshalb er seinen damaligen Stammverein, den Dresdner Sportclub (DSC) überhaupt verlassen hat. Seine Trainerin Katja Hermann war im Mai 2018, in seiner bisher erfolgreichsten Saison, an einer Krebserkrankung verstorben. „Die USA kam mir da gerade recht und mich an den ATK anzuschließen war eine logische Schlussfolgerung. Mit der Familie Tortell bin ich ja schon lange befreundet. Ich habe großes Vertrauen in die Familie und darin, dass sie die Vereinsphilosophie wirklich umsetzen“, sagt Johnny. Beim DSC hatte man viel Verständnis für seine Entscheidung und ließ ihn ohne Weiteres ziehen. „Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt er. Beim ATK findet er persönliche Nähe, professionelle und individuelle Betreuung sowie genügend Freiraum, um sich entfalten zu können. Seine hiesige Trainerin Uta Tortell sieht den jungen und zugleich international erfahrenen Athleten als eine große Bereicherung.
Autorin: Yvonne Wagner