Jonathan Schmidt läuft die 1.500 Meter
„Der Anfang ist gemacht!“
Von Jonathan Schmidt
1.339 Tage ist eine verdammt lange Zeit. Doch jede Zeitspanne kommt auch zu seinem Ende, wie auch endlich die meinige: Nach eben jenen 1.339 Tagen habe ich endlich wieder ein 1.500-Meter-Rennen an der freien Luft absolviert. Nicht sehr schnell, aber es ist ein Anfang. 1.339 Tage entsprechen genau drei Jahren und acht Monaten, einem viel zu langen Zeitintervall für eine Person, die an ihrer Geduld nach wie vor arbeiten muss. Einem Athleten, der nur ungern am Fernseher oder auf der Tribüne seine Leidenschaft verfolgt: die Leichtathletik.

Erfolg und Rückschläge liegen eng zusammen
Seit meinen frühen Kindheitserfolgen in der deutschen Laufszene ziehe ich Selbstbewusstsein aus meinen Erfolgen auf der Bahn. Die 1.500 Meter bescherten mir drei deutsche Jugend-Meistertitel sowie die mehrfache Repräsentation Deutschlands bei internationalen Jugendmeisterschaften. Zugleich war mein letzter Auftritt auf einer deutschen Bahn ein besonders schöner:
Als frisch gekürter deutscher U20-Meister über die 1.500 Meter wurde ich zu einem Länderkampf ins Berliner Olympiastadion eingeladen und konnte dort vor – zugegeben: einer Handvoll Eltern und Helfern, das Rennen gegen Franzosen und Briten für mich entscheiden. Jener 8. August 2018 sollte doch zugleich das Ende meiner erfolgreichen Jugendzeit in Deutschland sein. Ich steuerte geradewegs auf mein Abitur in Dresden zu, aber leider auch in eine Zeit voller Verletzungen und Rückschläge.
Hätte mir jemand vor 1.339 Tagen erzählt, dass mein nächstes 1.500-Meter-Rennen an einem kühlen Freitagabend in Fayetteville, Arkansas stattfindet, hätte ich denjenigen bestimmt nur fragend angeschaut, war ich doch von einem Karriereknick bis dato verschont geblieben und die Vereinigten Staaten von Amerika nur ein fernes Land. Mehrere Ermüdungsbrüche später sowie nach einer Operation am rechten Sprunggelenk, zwei Trainerwechseln sowie einem Vereinswechsel und mehreren kurzen, aber recht erfolglosen Auftritten während der zurückliegenden Hallensaisons in den USA, klingt alles nicht mehr so erfolgreich. Darauf schaue ich aber nicht nur.
Leichtathletik bietet mir mehr als Sport
Der Sport hat mir die Möglichkeit gegeben, in den U.S.A. an einer großartigen Universität Sport und Studium zu vereinen. In ein paar Monaten habe ich schon mein sechstes Semester in Columbia, Missouri, absolviert. Eines davon in Spanien, während des ersten Pandemieherbstes, und in diesem Herbst geht es für ein weiteres Auslandssemester nach Barcelona. Mein von Sprachkursen und Fernsehstationen geprägtes Leben abseits der Laufbahn lief in den letzten Jahren erfolgreich. Die Perfektion der englischen Sprache, zusätzlich das Lernen von Spanisch und Portugiesisch werden mir weitere Türen zu einer ganz internationalen Welt auf dem Arbeitsmarkt öffnen, ganz unabhängig von der Anzahl von Comebacks oder Rückschlägen auf der Bahn.
Das Leben ist gezeichnet von unzähligen Auf und Abs. Im Laufsport ist es ganz einfach, die Verantwortung für die Zeit auf dem Papier habe in erster Linie allein ich zu übernehmen. Ich bin nach wie vor hungrig, als Erster die Ziellinie zu überqueren, Bestzeiten zu laufen und meinem Körper endlich wieder vollends zu vertrauen. Die gestrigen 1.500 Meter habe ich in 3:55 Minuten absolviert – ziemlich genau zehn Sekunden über der individuellen Bestmarke aus 2018.
Jetzt geht es weiter!
Aber: Ich schreibe diesen Artikel heute nicht betrübt, sondern hoffnungsvoll und mit Optimismus. Diesen Sommer soll es unbedingt mit meinem Debut für das Athletics Team Karben im Sommer klappen. Zuvor stehen noch ein paar Wettkämpfe in den U.S.A. an: In zwei Wochen soll es in Alabama weitergehen, bevor es für mich und die Mizzou Tigers nach Kansas und Mississippi gehen soll.
1.339 Tage bleiben eine verdammt lange Zeit, aber diese 1.339 Tage sind jetzt auch vorbei. Der Wettkampfplan steht und ich habe sowohl hier in Missouri als auch in Dresden und Frankfurt ein System, auf das ich vertrauensvoll weiter aufbauen kann, sportlich und akademisch. Der Anfang ist gemacht.