Neu im ATK – Charlotte Augenstein
Es war das erste Rennen auf deutschem Boden in ihrem Leben und sie konnte sofort eine neue PB über die 800 bei ihrem ATK-Debüt feiern – Charlotte Augenstein’s erster Auftritt auf der deutschen Leichtathletikbühne in Regensburg war zweifellos einmalig. Aus ganz vielen Gründen. Aber wer ist die neue Läuferin in unseren Farben, welche in Deutschland geboren, aber seitdem sie 2 Monate alt war, in den USA lebt?
Charlotte ist seit 1.Januar dieses Jahres Teil von unserem ATK, aber aufgrund der US-Amerikanischen College Saison ähnlich wie Jonathan Schmidt (und Johnny Martin – Vorstellungsartikel folgt morgen!) erst seit ein paar Tagen in Deutschland.
„Eine echte Deutsch-Amerikanerin“
7760 Tage später, oder ziemlich genau 21 Jahre nach dem Charlotte das Licht der Welt in Deutschland erblickte, ist die gebürtige Heidelbergerin nun ihren ersten Wettkampf auf deutschen Boden gelaufen. Der Grund liegt im geografischen Lebensmittelpunkt ihrer Familie. Der Bundesstaat Georgia in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die kleine Charlotte war damals „nur ein paar Monate alt, als wir aufbrachen“.
Durch die berufliche Neuorientierung der Eltern, welche seit Mitte der 90er Jahre die „American Residency“ innehatten, zog die Familie Augenstein aus dem gemütlichen Bad Schönborn nach Kalifornien. Zwei Jahre später ging es dann wiederum in den Bundestaat Georgia, welcher seitdem die Heimat von Charlotte’s Familie geworden ist. Rund um die Jahrtausendwende zog es Charlotte’s Eltern dann aber nochmals für ein paar Jahre nach Bad Schönborn. Eine Zeit, in welcher Charlotte zur Familie dazukam and folgerichtig als einzige der drei Geschwister in Deutschland geboren ist. Die Geburt von Charlotte haben die Eltern noch abgewartet „bevor es dann wieder – und eigentlich auch erstmal auf unbstimmte Zeit zurück in die USA gehen sollte.“ Die Entwicklung der deutschen Sprache in den USA sollte aber keineswegs zu kurz kommen denn „zu Hause wurde weiterhin nur Deutsch geredet, das war meinen Eltern superwichtig. Zumal mein Englisch ja auch ganz automatisch dazukam durch zahlreiche Jahre im Kindergarten und dann in den amerikanischen Schulen.“
Das amerikanische Schulsystem zieht es vor die Schüler in diverse Sportarten reinschnuppern zulassen und die heranwachsende Deutsch-Amerikanerin startete zunächst „wie eine typische Deutsche“ mit dem Ball am Fuß. Basketball kam dann im Herbst der 8.Klasse dazu, nachdem die Frühling- und Sommersaison mit Fußballtraining vollgepackt wurde. „Ich bin als Mittelfeldspielerin schon damals mehr gerannt als die anderen Mitspielerinnen und war auch nicht so müde nach den Spielen. Vielleicht ein frühes Anzeichen für mein Lauftalent?“ Charlotte’s Vater war erleichtert, als die Fußballkarriere in der Oberstufe zum Erliegen kam, denn er hatte immer gemeint „wenn du weiter Fußball spielst, wirst du dich nur noch verletzen.“ Ihre ältere Schwester Helena war Bestandteil des Leichtathletikteams in derselben Highschool in welcher Charlotte ihr amerikanisches Abitur absolvierte. „Ich wollte es dann natürlich auch ausprobieren…und ein paar Jahre später in der 11.Klasse kamen dann die ersten Erfolge dazu, welche mir die Tür zu einem Sportstipendium und einem Leben als Sportstudentin ermöglichten.“
Nach dem Abschluss der Highschool blieb Charlotte ihrem Heimatstaat Georgia treu und unterschrieb einen Vierjahresvertrag mit dem größten Track&Field-Team des Bundesstaates – den Georgia Bulldogs. Das Team gehört zu den prominentesten College-Leichtathletik Teams in den USA und ist auch Teil der stärksten College-Liga. Bekannte Leichtathleten der Georgia Bulldogs, welche ihre Nationen bei Olympischen Spielen sowie Welt- und Europameisterschaften erfolgreich vertraten gibt es genug: Reese Hoffa (USA), Shanae Miller-Uibo (Bahamas), Maicel Uibo (Estland) und Georgia Stefanidi (Griechenland) sind nur ein kleiner Auszug aus einem der erfolgreichsten Universitäten des Landes. Davon abgesehen ist das Footballteam der Georgia Bulldogs amtierender College-Meister in den letzten beiden Jahren geworden, welches das Prestige der University of Georgia einmal mehr unterstreicht.
Wie im amerikanischen College Sport System üblich, begann sie dann auch zur selben Zeit im August 2020 ihr Biologiestudium im besinnlichen Athens, die Stadt der Bulldogs, welches nur ein Katzensprung von der Metropolregion Atlanta entfernt ist. „Wissenschaften hatten mich schon immer interessiert…in Vorbereitung auf ein mögliches Medizinstudium schien mir das als logischer Schritt.“
Einflüsse von beiden Seiten des Teiches
Neben den Erfahrungen im amerikanischen Schul- sowie Collegesystem spielten aber auch nach wie vor regelmäßige Stippvisiten der Großeltern in Pforzheim sowie des alten Familienhauses in Bad Schönborn eine Rolle in ihrem Leben auf zwei Kontinenten. „Manchmal bin ich einfach mit den Kindern von den Freunden meiner Eltern in das deutsche Gymnasium gegangen. Wir hatten ja andere Sommer- oder Herbstferien und in Deutschland war die Schule auf.“ Des Öfteren musste sie auch die Frage beantworten, welchem Land sie sich denn nun mehr verbunden fühlt – eine Frage, auf welche sie bis heute keine genaue Antwort geben kann: „Ich weiß es selber nicht genau, um ganz ehrlich zu sein. Ich bin einfach irgendeine Mischung aus beiden Nationalitäten. “ ist die Antwort der 21-järhigen, wenn sie darauf angesprochen wird, welcher Nation sie sich denn nun verbundener fühlt. „Passdeutsche. So würde ich sie beschreiben“ meint Charlotte’s Vater und spielt damit auch ihren großen Traum an, den sie wie folgt beschreibt „Einmal im Nationaltrikot für Deutschland zu laufen, wäre schon etwas ganz besonders.“
Das ATK als „neue, deutsche Sportfamilie“
Der Wunsch in einem deutschen Leichtathletikverein Fuß zu fassen, wurde dann in den letzten Jahren mit verbesserten Leistungen im College immer größer „Mit dem Beginn meiner College-Karriere an der University of Georgia habe ich mich schon bewusster gefragt, ob es möglich wäre, auch in Deutschland zu starten. Das Interesse meinerseits stieg dann an, nachdem ich mich die letzten beiden Jahre ordentlich verbesserte.“ Im letzten Sommer flog sie das erste Mal allein nach Deutschland, um mit ein paar Freundinnen andere europäische Urlaubsorte zu bekunden. Die Verbindung zum ATK kam dann durch Jonathan Schmidt zu Stande, denn beide Athleten starten in der SEC Conference, und die Missouri Tigers kreuzten des Öfteren die Wege mit den Georgia Bulldogs. „Ich war echt überrascht eine deutsche Staatsbürgerin, welche ich nicht kannte, in der SEC zu treffen. Und ich wusste natürlich, dass wir als Verein wachsen, aber auch die richtigen Leute dazu holen wollten“ sagt Schmidt.
Tatsächlich ist Charlotte deutsche Staatsbürgerin und besitzt soweit nur die „Greencard“, welche einen permanenten Aufenthalt in den USA job- und studiumsunabhängig erlaubt. Dementsprechend ist sie für sämtliche deutsche Meisterschaften sowie den DLV startberechtigt. Ihre Eltern, waren „zuerst nicht wirklich begeistert von einem längeren Sommer in Deutschland, weil sie nächstes Jahr im Mai schon ihren Abschluss macht und davor noch ein bisschen mehr Berufserfahrung im amerikanischen Arbeitsmarkt sammeln sollte.“ Nach der deutlichen Steigerung ihrer 800 Meter sowie 1500 Meter-Bestzeiten im Outfit der Bulldogs im Frühjahr dieses Jahres, ließen dann aber keinen Zweifel mehr an „meinem ersten Leichtathletiksommer in Deutschland“. Charlotte kümmerte sich um ihre Flüge und Pläne nach Deutschland zu kommen früh genug, wo ihr Vater dann nur noch schmunzelnd hinzufügte „wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann macht sie das auch“.
Die ersten deutschen Meisterschaften warten auf unsere Deutsch-Amerikanerin dann im Juli. Ob sie über die 800 Meter oder die 1500 Meter an den Start gehen wird, werden die zukünftigen Wochen und Rennen entscheiden. Eine Sache bleibt aber sicher – ihr Aufenthalt in Deutschland hilft dem Sprachwortschatz sowie der Verbesserung der zugegebenermaßen alles andere als einfachen deutschen Grammatik „Der, Die, Das machen es mir manchmal nicht ganz easy“ fügt sie scherzend in einem fast akzentfreien Deutsch hinzu.
Wie auch immer, DAS Athletics Team Karben freut sich auf DIE Deutsch-Amerikanerin schlechthin, Charlotte Augenstein, und DER nächste Wettkampf steigt schon diesen Mittwoch in Dortmund. „Und die nächste 800 Meter Bestzeit soll folgen!“
Kommentar Uta Tortell zur Verpflichtung von Charlotte:
„Wir freuen uns sehr, dass Charlotte unser Frauen-Team verstärkt und nach etlichen E-Mails, WhatsApps und Telefonaten ist es toll, sie nun persönlich kennenzulernen und bei Ihrem ersten Wettkampfsommer in Deutschland begleiten zu dürfen. Sie ist nicht nur als talentierte Mittelstrecklerin mit großem Leistungsfortschritt in den letzten beiden Jahren, sondern auch als Persönlichkeit eine Bereicherung für unser Team. Um so mehr freuen wir uns, dass Charlotte unsere ATK-Farben bei der DM U23 in Göttingen und der Aktiven-DM in Kassel vertreten wird. Wenn es so weitergeht wie bei Ihrem Debut in Regensburg, sind Endlaufteilnahmen durchaus im Bereich des Möglichen. Ich drücke Charlotte die Daumen!“