Lara Tortell: Leichtathletik kann Träume erfüllen
Athletenportrait
Reisen, unabhängig sein, Abenteuer erleben – davon träumt Lara Tortell schon lange. Einen Teil ihres Traums hat sich die 18 Jahre junge Frau nun erfüllt: Ihre leistungssportlichen Aktivitäten als 400- und 800-Meter-Läuferin haben ihr ein Sportstipendium beschert. Nach dem Abitur flog sie im August dieses Jahres nach Berkeley (USA) und begann an der University of California ihr Vollzeitstudium in „Global Studies.“ „Es ist aufregend, jetzt für alles alleine verantwortlich zu sein: Mit Geld umgehen, Wäsche waschen, spülen, lernen, gesund Essen, Balance zwischen Training und Regeneration erhalten – das alles zu koordinieren ist nicht einfach. Manchmal möchte ich einfach nur in mein Zimmer gehen, wie zu Hause“, gesteht sie. Aber dieses eine Fünkchen Wehmut, das gerade aufblitzt, erlischt in der nächsten Sekunde: „Andererseits ist das Leben hier auch sehr schnell und ich fühle mich gut aufgehoben. Meine Entscheidungsfreiheit genieße ich sehr“, freut sie sich.
Lara ist das zweite von fünf Kindern. Sie ist durch ihre Eltern Uta und Enrique Tortell von der Leichtathletik geprägt. Beide waren erfolgreiche Aktive in der Mittel- und Langstrecke. Zum Vorbild nimmt sich Lara jedoch ihren älteren Bruder Marc. Der 1500-Meter Läufer ist 2019 bei den Aktiven 2. der deutschen Meisterschaften geworden und deutscher U-23-Meister. Sein Erfolg spornt sie an. Einen vermeintlichen Druck, durch die Erfolge des Bruders, spürt sie aber nicht: „Ich habe mich für die Leichtathletik entschieden, nachdem ich in der Grundschule einen tollen Testlauf über 800 Meter hingelegt hatte. Da habe ich mir selbst gezeigt: ˋIch kann es auch, ich bin gut darin´. Dieser eigene Erfolg hat mich motiviert, an mein Talent zu glauben – unabhängig von den Leistungen meines Bruders“, sagt sie selbstbewusst.
„Es geht immer ein bisschen mehr“
Abgrenzen ist das eine, von den Erfahrungen der Familie profitieren, ist das andere. Aktuell ist das Training in den USA durch hohe Umfänge geprägt. Für sie ist es aber auch wichtig, ihre Schnelligkeit auszubauen. Damit sie hier nicht zurückfällt, lässt sie sich in spezifischen Trainingseinheiten von ihrer Mutter beraten. Schließlich möchte Lara in den Semesterferien nach Deutschland kommen und hier ihre Läufe bestreiten. Los geht es damit am 18./19. Januar, bei den hessischen Meisterschaften in Kalbach. Ihre Ziele für 2020: Bestzeit über 400 und 800 Meter sowie die Teilnahme an den U20-Weltmeisterschaften in Nairobi. Also heißt es Punkte sammeln, für ihre Nominierung. Von ihrem Bruder Marc lässt sie sich motivieren. „Ich sehe, wie krass er an seine Grenzen geht. Dann denke ich: ˋMarc kann sich quälen, dann kann ich das auch.´ Er sagt immer:ˋWenn man denkt, man kann nicht mehr weiter, geht immer noch ein bisschen mehr´ und daran halte ich mich“, sagt Lara.
Die Voraussetzungen für ihren Leistungsaufbau und ihre sportlichen Ziele sind an der Uni in Berkeley ideal: Sie trainiert jeden Morgen von sieben bis elf Uhr, dann hat sie Zeit zu regenerieren und dann erst beginnt ihr Unterricht. Die Uni stellt sich auf die Bedürfnisse der Sportstipendiaten ein. Neben den Laufmöglichkeiten ist für den Kraftraum gesorgt, die Physiotherapie, ein Schwimmbad oder Ergometer. Dazu läuft sie in einer leistungsstarken Gruppe mit jungen Frauen, die ebenso schnell und ehrgeizig sind, wie sie. Genau, weil sie all diese Bedingungen für ihr Training in Berkeley vorfindet, wollte sie hier studieren – eigentlich. „Mein Studium möchte ich aber auch gut machen und ich merke gerade, dass ich gut trainiere und viel für die Uni mache, aber zu wenig Zeit in die aktive Regeneration investiere. Ich muss mich ab sofort neu strukturieren“, reflektiert sie.
Ernährung – ein sensibles Thema
Und dann ist da noch die Ernährung. „Für mich ist eine ausgewogene Ernährung wichtig, um meine Leistungsfähigkeit zu optimieren und gewünschte Leistung im Training und Wettkampf abrufen zu können“, sagt Lara. Eine entsprechende Ernährung ist eine große Herausforderung, denn in der Uni-Mensa ist die Auswahl an gesunden und ungesunden Lebensmitteln riesig. „Ich kenne eine Athletin, die nach Deutschland zurückgegangen ist, weil sie mit dem Ernährungsangebot hier nicht zurechtkam“, erzählt sie. Das ist für Lara keine Option. Sie schafft es (meistens) den individuellen Ernährungsplan der Ernährungsberaterin einzuhalten. Aus ihrer Erfahrung verrät sie ein paar Tipps, die den einen oder anderen Anhaltspunkt für die eigene Ernährung geben können:
- „Damit die Mahlzeiten die gewünschte leistungsförderliche Wirkung entfalten, müssen sie dem Alltag angepasst sein. Das heißt: Studienalltag, Trainingszeiten und Trainingsphase strukturieren, wann ich die Mahlzeiten einnehme.
- Daraus leitet sich auch ab, was ich zu mir nehme.
- Vor dem Training, das früh morgens stattfindet, benötige ich eine schnelle Energiezufuhr. Am besten in Form eines Riegels oder durch Obst.
- Unmittelbar nach dem Training möchte ich meine Energiespeicher wieder auffüllen. Das mache ich mit Proteinen und Kohlehydraten. Meist greife ich zu Haferbrei, Erdnussbutter und einer Banane.
- Das Mittagessen variiert stark. Wichtig ist aber die Zusammensetzung aus Kohlehydraten, nährstoffreichen Ballaststoffen und Eiweißen. Zum Beispiel: Quinoa mit Gemüse und Fleisch.
- Das Abendessen ist ähnlich zusammengesetzt. Meist esse ich Salat, Reis und Gemüse. Die Menge sollte aber von der Trainingsintensität abhängen.
- Süßigkeiten dürfen auch mal sein – in Maßen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der strikte Verzicht oft kontraproduktiv ist und einer gesunden Einstellung gegenüber dem Sport im Wege steht.
Dieser Ernährungsplan ist für mich der Idealfall – allerdings bin ich selbst keine Vorzeigeperson, und kann in Hinsicht Ernährung noch einiges verbessern. Allgemein ist Ernährung ein eher sensibles Thema unter den Mädels in der Leichtathletik, besonders in die Mittel- und Langstrecke. Der Trend, super dünn zu sein und die ‚Faustregel‘: ‚je weniger Gewicht man tragen muss, desto schneller läuft man’, ist schwer auszublenden. Wichtig ist einfach zu erkennen, dass jeder Körper individuell ist und dass ein normales Essverhalten essenziell für gute Leistung ist“, resümiert Lara.
Autorin: Yvonne Wagner
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Sehr interessanter und guter Artikel. Besonders interessant finde ich auch die Passage über dein Verhältnis zu deinem Bruder und die Frage mach dem Konkurrenzdruck. Und auch das Thema Motivation finde ich sehr gut geschildert. Weiter so und viel Erfolg dir.
Vielen lieben Dank, Kike! Bitte entschuldige die trainings- und wettkampfbedingte Verspätung meiner Antwort , aber ich freu mich sehr, dass dir der Artikel so gut gefallen hat! 🙂
Sportliche Grüße
Lara
[…] Talente, die sich derzeit im Ausland aufhalten: Christian von Eitzen (London), Jonas Simon und Lara Tortell (beide USA). Sie schalteten sich via Facetime zur Sitzung dazu und diskutierten mit. In einem waren […]